Sonntag ist mal wieder Zeit, um der Propaganda der Kohlelobby zu lauschen. Und schnell wurde ich fündig, diesmal mit einem Artikel der mächtig ideologisch “Pro-Braunkohle” eingefärbt ist, was nicht verwunderlich ist, da er von einem führenden Vertreter der Braunkohleindustrie geschrieben wurde.
Geschickt suggeriert Herr Milojcic zunächst, einen gut reflektierten und ausgewogenen Bericht zur Stromdebatte zu leisten, in dem er diese als eine vergiftete Diskussion darstellt – um dann natürlich selbst Gift zu spritzen, als Hauptgeschäftsführer des DEBRIV, dem Bundesverband Braunkohle.
Was folgt ist wie immer viel Propaganda, Verallgemeinerungen und irreführende Betrachtungsweisen. Sie führen zu dem Eindruck, das Kohle unabdingbar als Energieträger ist. Dazu ein kurzer, kritischer Durchgang des Berichts.
Versorgungssicherheit und Systemstabilität – Zwei Systeme, eine Aufgabe
Suggeriert wird hier, Deutschland würde zwei Systeme benötigen. Das ist langfristig aber nicht der Fall, den Deutschland wechselt von einem System zum anderen. Mit dem Ausbau von Wind- und Solarstrom sinkt der Bedarf an Grundlastkraftwerken. Sonne und Wind stellen zeitlich variabel Energie bereit. Ein Stromsystem, das optimal an diese erneuerbaren Energiequellen angepasst ist, besteht in Zukunft nur noch aus Kraftwerken, die für den Mittel- und Spitzenlastbetrieb ausgelegt sind, also nur 50%, 20%, oder 1% aller Stunden im Jahr in Betrieb sind – aber nicht 100%. Dazu gehören Kohlekraftwerke sicherlich nicht.
Eine “Lücke” von 73,2 GW zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Tag im Jahr 2015 wird im Bericht plötzlich zu einem wochenlangen Phänomen. Da fehlen Herrn Milojcic wohl die richtigen Wetterdaten. Es ist eben nicht so, dass dauerhaft kein Wind weht und keine Sonne scheint und somit wochenlang der Strom aus Speichern kommen muss. Es gibt genügend Überschüsse über längere Zeiträume hinweg, die nur entsprechend nutzbar gemacht werden müssen.
Der kleine Seitenhieb auf Gas- und Dampfkraftwerke spricht für die verzweifelte Lage der Braunkohlelobby, Argumente ins Feld zu führen, für eine Verwendung der “heimischen” Braunkohle. Das Damoklesschwert der CO2 Ziele einer beliebigen Bundesregierung lässt sich nicht wegdiskutieren. Das sitzen wir in ganz Europa im gleichen Boot. Und sehr wohl steht die Kohlenverstromung dem entgegen.
Wichtiger ist jedoch die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Hier werden die Letztverbraucherausgaben herangezogen. Preissenkend sei nur die konventionelle Erzeugung gewesen. Suggeriert wird, Kohlestrom sei unglaublich günstig und dämpft den Preisanstieg, der “wirtschafts- und verbraucherpolitisch eine sehr kritische und besorgniserregende Entwicklung darstelle, mit der die Akzeptanz der Stromwende insgesamt gefährdet würde..”
Schon komisch, denn üblich ist hier ein Vergleich der Stromgestehungskosten als Investitionsentscheidung. Herr M. weiß natürlich genau, wieso er das an dieser Stelle nicht macht. Lieber mal ein wenig Gift spritzen, wenn sonst nichts hilft: “Der banale Ansatz, immer mehr Solarpanele, immer mehr Windmühlen, ist eine Sackgasse und als Indikator für den Fortschritt ungeeignet.” Die derzeit günstigen Kapitalmarktbedingungen sind historisch einmalig und die Investoren entscheiden, wohin das Geld fließt. Und es fließt nun einmal nicht in die kapitalintensiven Produktionsanlagen wie Kohlekraftwerke. Es sind kleine flexible Kraftwerke gefragt, dezentral, und am besten in der Hand von lokalen Bürgerenergiegenossenschaften. Wenn nicht steigende Wind und PV Kapazitäten zu immer günstigeren Preisen Fortschritt bedeutet, was denn sonst? Aber richtig, aus Sicht des Braunkohlenverbands kann nur versucht werden, die Erzeugungskapazitäten irgendwie am Leben zu erhalten. Da ist jedes Argument recht.
Dann kommt natürlich wie üblich das tolle Argument, das eine Verlagerung der Stromerzeugung bei nationalen Alleingängen wahrscheinlich sei. Dann mal zu. Wo sind denn die Investoren, die neue Kohlekraftwerke in Europa bauen? Allianz?
Dann nochmals eine interessante Sichtweise zu einer selbst berechneten “Stromlücke” für Oktober bis Dezember 2014 in Höhe von 104 TWh. Es wurde übersehen, dass es regelmäßig zu Abschaltungen bei den Windenergieanlagen bei Netzengpässen kommt, vor allem im Winter, die auf der “Produktionsseite” fehlen. Ebenso wurde vergessen, den Exportsaldo herauszurechnen, denn es geht um den Strombedarf in der BRD, nicht in Europa. Immerhin lag der Exportsaldo bei ca. 13,3 TWh für die drei Monate. Somit reduziert sich die Lücke um ca. 15 TWh.
Diese Zahlen dann fortschreiben zu wollen, führt aber nun völlig in die Sackgasse. Die Kapazität der Nennleistung bei Wind hat wenig mit der daraus resultierenden Produktion zu tun. Eine Verdopplung der Nennleistung wird zu einer Vervielfachung der Stromproduktion aus Wind führen. Ein Repowering mit effizienteren Anlagen an Standorten, die heute mit Windenergieanlagen der ersten Generation belegt sind und ein bereits genehmigtes Offshore Potential mit erheblich höheren Volllaststunden werden dazu führen, dass wir Strom im Überfluss haben werden, und das ohne Brennstoffkosten.
Natürlich muss das System angepasst werden, in dem der Strom besser verteilt wird und kurz- und mittelfristig nutzbar gemacht wird, z.B. durch Power to Gas. Da hilft es auch nicht, das zur “Milchmädchenrechnung” zu degradieren. Der Megagau für die Braunkohle kommt.
Es wäre doch schön, wenn die Energie, die Menschen aufbringen, um Ihre Sichtweise und Ideologie der Energiewende durchzusetzen,in konstruktive Arbeit umgewandelt werden könnte. Das Festhalten an alten Geschäftsmodellen hilft einfach nicht. Kohle ist und bleibt endlich und die Verbrennung der Kohle zerstört unsere Umwelt und Lebensgrundlage. Ein Umdenken ist notwendig. Das dauert aber wohl noch ein paar Generationen..
Quelle: Zwei Systeme für eine Aufgabe: Versorgungssicherheit im Stromsektor